Alice und Bob #3: Eine Notiz

Beim Aufräumen fand Bob einen Zettel, auf dem eine 3 notiert war. Nichts weiter als eine Drei. Alice musste sie bei ihrem letzten Besuch da draufgeschrieben haben und das Blatt dann wohl vergessen haben. Sogleich rief er sie an, denn es konnte ja sein, dass die Drei auf diesem Zettel eine wichtige Bedeutung hatte.
Alice allerdings war verwundert: „Ich habe keine Drei auf einen Zettel bei dir geschrieben, ganz sicher! Warum sollte ich das tun?“

„Das weiß ich doch nicht,“ antwortete Bob, „wahrscheinlich wolltest du dir etwas wichtiges merken. Vielleicht, dass du noch drei Äpfel kaufen wolltest…“
Plötzlich lachte Alice: „Dreh das Blatt mal um. Das ist keine Drei. Das ist ein E! Mir war plötzlich eingefallen, dass ich meiner Freundin Eva noch ein Geschenk machen muss!“

„Alice und Bob #3: Eine Notiz“ weiterlesen

Im Alten Griechenland #2: Eine lakonische Aufforderung

In Sparta traf ich einen weisen Mann, der auch nicht viel gesprächiger war als Thales. Er hieß Chilon. Die Einsilbigkeit war in diesem Landstrich, der Lakonien genannt wurde, typisch. Die Leute lebten spartanisch und gaben lakonische Auskünfte.

Chilon war einer von ihnen und er sagte nicht viel. Also ich ihn fragte, was ich tun sollte, um ein weiser Mensch zu werden und die Welt zu verstehen, antwortete er nur:

Γνῶθι σαυτόν – Gnothi sauton!

„Im Alten Griechenland #2: Eine lakonische Aufforderung“ weiterlesen

Alice und Bob #2: Im Nebel

Alice und Bob joggten am Strand entlang und Bob sann noch ihrem letzten Gespräch über die Natur nach. Er sagte sich, dass dieser Strand und das Meer, wie sie waren, ganz sicher zur Natur zählten, denn auch sie waren ja im Laufe der Zeit so geworden, wie sie jetzt waren, ganz ohne (oder wenigstens fast ohne) Zutun der Menschen.

Plötzlich wurde es neblig, der Nebel war wohl unmerklich vom Wasser aufgestiegen und waberte nun über das Land.

Bob griff nach Alices Hand: „Ich sehe nichts!“. Spöttisch zog Alice ihre Hand zurück: „Du siehst noch den Sand zu deinen Füßen, und da, die Wellen siehst du auch noch. Sand und Wellen sind nicht Nichts.“

„Alice und Bob #2: Im Nebel“ weiterlesen

Im Alten Griechenland #1: Das Schwierige

Ich hatte mich auf eine lange Reise begeben. Mein Ziel war der Anfang, die Quelle des Stroms, von dem wir uns heute noch ernähren. Die Gegend, die ich erkunden wollte, deren Bewohner ich kennenlernen wollte, lag ganz im fremden Inneren unserer Welt, die Reise war zugleich eine Wanderung auf höchste Berge wie sie eine Erkundung tiefster Erdschichten war.

Die Leute, die ich treffen wollte, sprachen eine fremde Sprache, auch wenn mir viele Worte, die sie hatten, vertraut vorkamen, wusste ich doch, dass ich den Bedeutungen, die ich kannte, nicht trauen konnte. Zwar gab es viele freundliche Dolmetscher, aber ich hielt es für klug, mir ein paar dicke Wörterbücher einzupacken, mit deren Hilfe ich den Sinn dessen erkunden wollte, was mir die Weisesten der Leute dort, wie ich hoffte, anvertrauen würden.

„Im Alten Griechenland #1: Das Schwierige“ weiterlesen

Alice und Bob #1: In die Natur

„Lass uns hinaus in die Natur fahren!“ hatte Bob am Morgen vorgeschlagen. Alice war skeptisch: „Wo soll denn das sein?“ fragte sie. Bob, der auf schwierige Fragen beim Frühstück noch keine Lust hatte, antwortete einfach: „Lass dich überraschen!“

Nun radelten sie über schmale Straßen durch Felder und Wälder, Bob genoss die Luft und den Anblick der Bäume und Pflanzen. An einer Bank, die am Wegesrand stand, machten sie Rast.

Bob wollte wissen, wie Alice die Landschaft gefiel. „Ganz schön“ antwortete diese, dann fragte sie mit spöttischem Lächeln: „… und wann kommt die Natur?“

„Alice und Bob #1: In die Natur“ weiterlesen

Richtig streiten #10: Warum streiten wir überhaupt?

Nachdem es in der letzten Folge dieser Serie darum ging, plausibel zu machen, dass Meinungen im Streit zumeist nicht als Behauptungen zu verstehen sind, denen sich die anderen Streitenden zwingen anschließen müssten, bleibt die Frage, was es denn sonst mit diesen Meinungsäußerungen auf sich hat. Wenn wir unsere Meinungen zumeist gar nicht äußern, um andere davon zu überzeugen, warum äußern wir sie dann? Warum streiten wir überhaupt?

„Richtig streiten #10: Warum streiten wir überhaupt?“ weiterlesen

Richtig streiten #9: Was heißt „Geltung“?

Als Reaktion auf den letzten Teil meiner Serie wurde unter Anderem gefragt, ob man tatsächlich annehmen kann, dass die Streitenden für ihre geäußerten Meinungen keine Geltung beanspruchen würden. Um diese Frage zu beantworten, kann man zwei Wege beschreiten: Zum einen wäre zu klären, was „Geltung beanspruchen“ eigentlich bedeutet, dazu muss natürlich gefragt werden, was Geltung heißt und was beanspruchen heißt. Zum anderen können wir überlegen, um was es wahrhaftigen und nachsichtigen Streitenden in einem Streit tatsächlich gehen kann – um anschließend zu prüfen, ob eines der gefunden Ziele als „Geltung beanspruchen“ bezeichnet werden kann. Dem ersten Weg ist dieser Teil gewidmet, im nächsten Teil geht es um den zweiten Weg.

„Richtig streiten #9: Was heißt „Geltung“?“ weiterlesen

Richtig streiten #8: Geltungsansprüche und Fehlschlüsse

Haben Meinungen im Streit einen Geltungsanspruch? In dieser Serie ist schon mehrfach deutlich geworden, dass Meinungen immer eine persönliche Modulation durch die Person, die sich äußert, haben. Es ist meine Meinung, die ich äußere. Wenn man in einer Diskussion nachfragt, ob der andere sich sicher ist, dass es sich wirklich so verhält, wie er sagt, wird man oft die Antwort bekommen „Es ist meine Meinung!“. Meinungen werde selten mit dem Anspruch geäußert, dass jeder ihr zustimmen muss. Auch wenn Alice, die die Meinung äußert, dass „Trump ein Idiot ist“, sich sehr sicher ist, dass es sich so verhält, wird sie vermutlich nicht der Meinung sein, dass Bob zwingend zustimmen muss, schon gar nicht, dass ihre Argumente, mit denen sie ihre Meinung stützt, ihn zwingend überzeugen müssen.

„Richtig streiten #8: Geltungsansprüche und Fehlschlüsse“ weiterlesen

Richtig streiten #7: Die Spontanität der Äußerung

Wenn jemand für das kritisiert wird, was er sagt, liegt der Kritik zumeist die Vorstellung zugrunde, dass der Sprecher sich zuvor überlegt hat, was er sagen wird. Das gilt sicherlich, wenn jemand eine Rede hält, zumal, wenn er sie vom Blatt abliest. Es gilt aber sicherlich nicht unbedingt beim Streit. Häufig fordert man zwar von Anderen, dass sie erst nachdenken sollen, bevor sie sprechen. Aber ist das wirklich möglich? Wie wäre es umgekehrt: Wenn wir besser streiten wollen, müssen wir bedenken, dass Äußerungen im Streit spontan erfolgen, undurchdacht, intuitiv und emotional. Sowohl Zuhörer als auch Sprecher müssen mit dieser Spontanität umgehen. Auch das gehört zu dem bereits genannten Prinzip der Nachsichtigkeit.

„Richtig streiten #7: Die Spontanität der Äußerung“ weiterlesen

Richtig streiten #6: Der Beweggrund der Meinungsäußerung

Wir hatten bisher gesehen, dass eine Meinungsäußerung im politischen Meinungsstreit niemals eine bloße Tatsachenbehauptung ist, sondern dass sie immer durch ein persönliches Interesse des Sprechenden moduliert ist. Das gilt auch, wenn die Aussage für sich genommen wie ein Aussagesatz klingt, etwa, wenn Alice sagt: „Trump wird die nächste Wahl auch gewinnen!“ oder wenn Bob äußert „In den Medien herrschen überhaupt keine Qualitätsstandards mehr!“. Im Falle von Alice ist noch klar, dass es sich nicht um eine Tatsachenbehauptung handelt, da ihr Satz die Zukunft betrifft. Allerdings könnte man auch hier vermuten, dass es sich um eine sachliche Hypothese handelt, die nicht durch persönliche Modulation eine Angst, Hoffnung oder Sorge ausdrücken soll. Bobs Satz, für sich genommen, hat allerdings die Form einer einfachen Tatsachenbehauptung. Trotzdem wird es sich in einer Diskussion unter Freunden nur sehr selten um eine sachliche Hypothese handeln. Vielmehr darf man vermuten, dass Alice und Bob davon überzeugt sind, dass die anderen die jeweilige Modulation kennen. Wenn Alice äußert, dass Trump auch die nächste Wahl gewinnen wird, ist sie sicher, dass die anderen wissen, dass ihr diese Aussicht Sorgen macht. Man wird es aus ihren bisherigen Äußerungen sicher und intuitiv schließen. Wenn es sie nicht mit Sorgen erfüllen würde, so können wir annehmen, würde sie es gar nicht sagen. Aus dem Satz spricht mehr Sorge als eine sichere Prognose. Ebenso ist es be Bob, dem es Sorgen macht, dass er in den Medien immer mehr Beiträge liest, die qualitativ minderwertig sind. Würde ihn diese Tatsache gar nicht bekümmern, dann würde er sich zu dieser Frage wahrscheinlich gar nicht äußern.

„Richtig streiten #6: Der Beweggrund der Meinungsäußerung“ weiterlesen