Freunde, ein Nachbar und zerschnittene Autoreifen

Ich hatte einen Nachbarn, der hatte ein Auto, das er selbst nicht brauchte. Wir vereinbarten, dass ich mir den Wagen immer mal ausleihen konnte, ich zahlte ihm dafür ein paar Euro und tankte voll, es war ein gutes Geschäft.

Irgendwann erzählten mir Freunde, dass dieser Nachbar einen von ihnen regelmäßig verprügelte. Sie fanden es verwerflich, dass ich diesem Nachbar das Auto volltankte und ihm auch noch Geld gab. Sie hatten Recht, ich entschied, auch wenn es für mich ziemlich schwierig war, auf das Auto zu verzichten und einen Mietwagen zu nehmen, wann immer ich ein Auto brauchte. Die Mietwagenfirma gehörte einem meiner Freude.

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Hegel, Engels, die Freiheit und die Notwendigkeit

Freiheit sei die Einsicht in die Notwendigkeit, soll Hegel gesagt haben. Und ich, eigentlich wollte ich was über Wissenschaft jenseits der Disziplinarität schreiben, was ja auch gerade heute wichtig ist, frage mich, wo er das gesagt haben soll.

In den „Vorlesungen über die Philosophie der Religion“ gibt es einen Abschnitt über „Die Notwendigkeit“. Darin kommen sich die Begriffe „Freiheit“ und „Notwendigkeit“ ziemlich nahe. Nachdem Hegel die „äußere Notwendigkeit“ als „eigentlich zufällige Notwendigkeit“ und die „innere Notwendigkeit“ als „was als Ursache, Veranlassung, Gelegenheit vorausgesetzt ist“ untersucht hat, kommt er zur „absoluten Notwendigkeit“, über die er schreibt, sie „ist und enthält an ihr selbst die Freiheit: denn eben ist sie das Zusammengehen ihrer mit sich selbst. Sie ist schlechthin für sich, hängt nicht von anderem ab; ihr Wirken ist das freie, nur das Zusammengehen mit sich selbst, ihr Prozess ist nur der des Sichselbstfindens, – dies aber ist die Freiheit.“Der Text geht noch weiter und ist sehr bedenkenswert, aber ich will nur sagen: Da steht keineswegs „Freiheit ist Einsicht in die Notwendigkeit“ – da steht, wenn man es so kurz sagen will: „Absolute Notwendigkeit ist Freiheit“.

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Pflicht oder Verantwortung

Wir leben in einer Welt, in der es immer weniger Pflichten, aber immer mehr Verantwortung gibt. In einer Gesellschaft, die die Freiheit des Einzelnen in den Vordergrund stellt, sind Pflichten geradezu widersinnig. Die Wehrpflicht wurde abgeschafft, die Impfpflicht ist heiß umstritten. Ein paar Pflichten haben wir trotzdem noch: Steuerpflicht, Schulpflicht, Unterhaltspflicht (die immer mehr begrenzt wird), Sargpflicht (auch umstritten), Verkehrssicherungspflicht, Räum- und Streupflicht. Manche Pflichten entstehen sogar erst durch die Freiheit: Die Haftpflicht etwa.

Wenn man das so zusammenträgt, ist es gar nicht so wenig, und man könnte sich fragen, ob der erste Satz dieses Textes überhaupt stimmt. Aber fest steht: Pflichten sind nicht mehr selbstverständlich, es ist Mode geworden, Pflichten in Frage zu stellen. Sie werden nicht mehr klaglos akzeptiert, der Staat, der sie aufstellt, muss sie begründen und verteidigen, oder eben abschaffen. „Pflicht oder Verantwortung“ weiterlesen

Parlamentarismus

Die politische Sphäre einer Gesellschaft ist im Wesentlichen dazu da, sicherzustellen, dass alle Menschen, die in dieser Gesellschaft leben, mit den Bedingungen, die ihnen durch das gesellschaftliche Zusammenleben aufgezwungen werden, halbwegs zurechtkommen und halbwegs zufrieden mit ihnen sind. Diese politische Sphäre kann sich im Modus der Stabilität befinden oder im Umbruch sein. Im Modus der Stabilität sind die meisten Menschen mit den Zuständen halbwegs zufrieden, im Modus des Umbruchs führt eine, zunächst oft nicht offenbare, Unzufriedenheit bei einem Teil der Menschen dazu, dass neue Strukturen in der politischen Sphäre gefunden werden müssen. Ziel eines jeden Umbruchs ist das Erreichen einer neuen Stabilität. „Parlamentarismus“ weiterlesen

Das Politische

Auch wenn die politischen Systeme der modernen westlichen Gesellschaften, die im Rahmen dieser Arbeit mehr oder weniger ausdrücklich als Reflexionsfläche dienen, ausnahmslos als parlamentarische Demokratien angesehen werden können, wäre es verfehlt, die Demokratie als bestimmendes Wesensmerkmal des Politischen in diesen Gesellschaften zu betrachten. Auch in einer perfekten Demokratie würde sich das Politische nicht im Demokratischen erschöpfen, und eine Analyse des Politischen in demokratisch verfassten Gesellschaften muss weit über die Frage hinausgehen, ob und wie demokratische Verfahren funktionieren und stabil implementiert sind. Die demokratische Entscheidungsfindung ist immer nur ein Teil des politischen Prozesses. Ob dies notwendigerweise der Fall ist, oder ob es nur der Tatsache geschuldet ist, dass Menschen in komplexen Gesellschaften immer nur einen Teil der relevanten Informationen bekommen, beurteilen und verarbeiten können und deshalb in den realen Demokratien Organisationsformen der Meinungsbildung und -strukturierung sowie der Entscheidungsfindung und -durchsetzung geschaffen werden müssen, die aus praktischen Erwägungen heraus nichtdemokratisch strukturiert sind, kann dahin gestellt bleiben, weil allein der Blick auf die realen politischen Verfahren, Institutionen und Ereignisse zeigt, dass die demokratische Entscheidungsfindung darin immer nur ein zwar konstitutiven, aber immer auch singulären Aspekt ist, der von vorbereitenden und exekutierenden Prozessen und Institutionen sozusagen umrahmt wird, die zwar nicht demokratisch, aber jedenfalls zutiefst politisch sind. „Das Politische“ weiterlesen

Der Brumaire der Piraten

Die Piraten – ein Trauerspiel?

Karl Marx bemerkt im „18. Brumaire des Louis Bonaparte“, dass die Menschen ihre Geschichte zwar selbst machen, aber nicht aus freien Stücken. Sie versuchen zwar vielleicht etwas völlig Neues, aber das Alte mit seinen Traditionen, Denkweisen und angeblichen Notwendigkeiten lässt sie nicht entkommen. Sie führen ein neues Stück in alten Kostümen auf. Die Geschichte der Piratenpartei von ihren Anfängen vor gerade einmal gut einem halben Jahrzehnt über ihren bemerkenswerten Aufstieg bis zu ihrem vorläufigen Untergang, der durch die erwartbare Niederlage bei der Bundestagswahl 2013 zwar markiert, aber keineswegs bestimmt ist, scheint nur eine weitere Illustration zu Marxens Satz zu sein. „Der Brumaire der Piraten“ weiterlesen