Über das Leben nach dem Tod

In meinem Buch „Der plausible Gott“ hatte ich gegen Ende geschrieben, dass es zwar plausible Gründe gibt, an einen Gott zu glauben, dessen schöpferische Geschöpfe wir sind und an dessen unendlichem Geist wir mit unserem endlichen Geist teilhaben – aber dass sich keine Hinweise darauf ergeben hätten, dass dieser Gott uns ein Weiterexistieren nach unserem physischen Tod ermöglichen würde.

Dies habe ich vor etwa einem Jahr geschrieben, das Buch ist im Frühjahr erschienen, und seitdem habe ich über die Frage weiter nachgedacht und bin zu dem Ergebnis gekommen, dass ich etwas übersehen habe.

Wenn es plausibel ist, dass wir unseren eigenen Geist, unser Gewissen, unser Empfinden für Schönheit, unsere Fähigkeit zu Freude und Trauer damit erklären können, dass wir damit an einem unendliche Geist eines Schöpfers teilhaben, dann ist unser je endlicher Geist auch Teil des unendlichen Geists Gottes. Wenn wir ins Leben kommen, kehrt sozusagen ein endlicher Teil dieses Unendlichen in unser leibliches Leben ein – und wenn dieses leibliche physische Leben zu ende ist, dann wird dieser begrenzte Teil wieder Teil des Unendlichen.

Eigentlich noch mehr als dass: mit jeder Freude, jedem Gefühl überhaupt, jeder moralischen Empfindung nehmen wir jeweils am unendlichen Geist Anteil, aber in einer besonderen, leiblichen Form. Als gelebtes geistiger Leben wird dann dieser Teil wieder ganz Anteil des Unendlichen.

Nun könnte man einwenden, dass damit aber die Individualität des einzelnen gelebten Lebens aufhört, dass sie sozusagen im unendlichen zerfließt und unkenntlich wird. Das kann sein. Es kann aber auch sein, dass sie als Zusammenhang bestehen bleibt. Es kann sogar sein, dass dieser Zusammenhang des Individuellen im Unendlichen umso fester bleibt, desto mehr wir im leiblichen Leben mit der Seele, die gegangen ist, in Beziehung bleiben, mit ihr sprechen, an sie erinnern, sie in uns erhalten. Denn nach dem bisher gesagten ist unser endlicher leib-gebundener Geist ja schon Teil des unendlichen Geists. Mit jeder Gefühlsregung nehmen wir dann am unendlichen Geist teil, bleiben mit ihm in Verbindung. Mit jeder Erinnerung halten wir dann auch die Individualität dessen im Unendlichen zusammen, der gegangen ist.

Das ist Spekulation, ja. Aber es ist plausibel. Es ist möglich.

Hat der plausible Gott ein Theodizee-Problem?

Ein plausibler Gott ist nicht allmächtig in dem Sinne, dass genau das geschieht, was er will. Gott lenkt nicht den tatsächlichen Ablauf des Weltgeschehens, und er lenkt auch nicht unsere Handlungen unmittelbar. Gott, wie wir ihn hier verstehen, ist einer, der Regeln setzt, und die Dinge dann zunächst laufen lässt. Wenn auf der Grundlage dieser Regeln Neues entsteht, und wir können annehmen, dass Gott dies will, dann schafft er für dieses Neue auch neue Regeln, und womöglich passt er die alten Regeln so an, dass sie mit den neuen zusammenspielen. Aber Gott wirkt nicht durch Wunder und nicht durch direkten Eingriff in die Welt. Es gibt keine materiellen Ereignisse, die nicht auf Naturgesetze zurückgeführt werden können, alles, was in der materiellen Welt geschieht, ist in dem Sinne erklärbar, dass es im Einklang mit den Naturgesetzen steht.

Man könnte also sagen, dass der schöpferische Gott gerade in dem Sinne allmächtig ist, dass er keine Wunder braucht, dass er nie direkt handelnd eingreifen muss, um die Wirklichkeit in seinem Sinne weiter zu treiben. Gott kann, für unsere begrenzte Vernunft unmerklich, die Regeln so weiterentwickeln, dass die Welt sich in seinem Sinn weiterbewegt.

Müsste man von einem plausiblen Gott erwarten, dass er zu seinen Geschöpfen gut in dem Sinne ist, dass die Schöpfung für diese Geschöpfe ausschließlich ein Quell der Freude ist? Müsste ein plausibler Gott nicht auch ein guter Gott in dem Sinne sein, dass er seine gestaltende Kraft dafür verwendet, dass wir Menschen, als mitschöpfende Geschöpfe und somit als Partner in der Schöpfung, nicht unter der Schöpfung zu leiden haben? „Hat der plausible Gott ein Theodizee-Problem?“ weiterlesen