Richtig streiten #7: Die Spontanität der Äußerung

Wenn jemand für das kritisiert wird, was er sagt, liegt der Kritik zumeist die Vorstellung zugrunde, dass der Sprecher sich zuvor überlegt hat, was er sagen wird. Das gilt sicherlich, wenn jemand eine Rede hält, zumal, wenn er sie vom Blatt abliest. Es gilt aber sicherlich nicht unbedingt beim Streit. Häufig fordert man zwar von Anderen, dass sie erst nachdenken sollen, bevor sie sprechen. Aber ist das wirklich möglich? Wie wäre es umgekehrt: Wenn wir besser streiten wollen, müssen wir bedenken, dass Äußerungen im Streit spontan erfolgen, undurchdacht, intuitiv und emotional. Sowohl Zuhörer als auch Sprecher müssen mit dieser Spontanität umgehen. Auch das gehört zu dem bereits genannten Prinzip der Nachsichtigkeit.

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Richtig streiten #6: Der Beweggrund der Meinungsäußerung

Wir hatten bisher gesehen, dass eine Meinungsäußerung im politischen Meinungsstreit niemals eine bloße Tatsachenbehauptung ist, sondern dass sie immer durch ein persönliches Interesse des Sprechenden moduliert ist. Das gilt auch, wenn die Aussage für sich genommen wie ein Aussagesatz klingt, etwa, wenn Alice sagt: „Trump wird die nächste Wahl auch gewinnen!“ oder wenn Bob äußert „In den Medien herrschen überhaupt keine Qualitätsstandards mehr!“. Im Falle von Alice ist noch klar, dass es sich nicht um eine Tatsachenbehauptung handelt, da ihr Satz die Zukunft betrifft. Allerdings könnte man auch hier vermuten, dass es sich um eine sachliche Hypothese handelt, die nicht durch persönliche Modulation eine Angst, Hoffnung oder Sorge ausdrücken soll. Bobs Satz, für sich genommen, hat allerdings die Form einer einfachen Tatsachenbehauptung. Trotzdem wird es sich in einer Diskussion unter Freunden nur sehr selten um eine sachliche Hypothese handeln. Vielmehr darf man vermuten, dass Alice und Bob davon überzeugt sind, dass die anderen die jeweilige Modulation kennen. Wenn Alice äußert, dass Trump auch die nächste Wahl gewinnen wird, ist sie sicher, dass die anderen wissen, dass ihr diese Aussicht Sorgen macht. Man wird es aus ihren bisherigen Äußerungen sicher und intuitiv schließen. Wenn es sie nicht mit Sorgen erfüllen würde, so können wir annehmen, würde sie es gar nicht sagen. Aus dem Satz spricht mehr Sorge als eine sichere Prognose. Ebenso ist es be Bob, dem es Sorgen macht, dass er in den Medien immer mehr Beiträge liest, die qualitativ minderwertig sind. Würde ihn diese Tatsache gar nicht bekümmern, dann würde er sich zu dieser Frage wahrscheinlich gar nicht äußern.

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Richtig streiten #4: Prinzipien und die herrschende Meinung

Die Logik des Begründens von Meinungen soll uns in dieser Serie beschäftigen. Dazu müssen jedoch immer noch einige Vorarbeiten geleistet werden, die das Feld, auf dem diese Logik wirkt, genauer beschreiben und damit den Gegenstand, das vernünftige Streiten um Meinungen, erst einmal hinreichend genau bestimmen. Schon diese Beschreibung liefert uns wertvolle Einsichten, auch wenn sie noch nicht die Logik des Streitens sind.

Im ersten Teil dieser Serie hatte ich das vernünftige Sprechen durch die Bereitschaft des Sprechers bestimmt, für seine Meinung Begründungen anzugeben. Das begründete Sprechen hatte ich mit dem vernünftigen Sprechen identifiziert und die Ablehnung der Angabe von Gründen als unvernünftig gekennzeichnet.
Allerdings kennen wir im Alltag viele Situationen, in denen eine Person es als absurd empfindet, Begründungen für ihre Meinung angeben zu sollen. Häufig stimmt sie darin mit der Mehrzahl derer überein, die sich an dem Gespräch beteiligen, in welchem die Meinung geäußert wurde.

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