Philosophie kann die Stabilität der Grundlagen unseres Lebens (Urteilens und Handelns) prüfen. Wer philosophiert, stellt zunächst mal die selbstverständlichen Annahmen in frage, aus denen er selbst und seine Mitmenschen ihre Entscheidungen treffen. Warum ist das gut? Weil wir immer wieder feststellen, dass „irgendwas nicht stimmen kann“ mit der Art, wie wir die Welt sehen, etwa, weil wir mit anderen Menschen trotz kluger Argumentation nie Einigkeit erzielen, oder weil nicht die Dinge passieren, die wir als Ergebnis unserer Handlungen sicher erwarten.
Da kann man sich immer damit herausreden, dass man eben irgendwas nicht gewusst hat oder dass die wissenschaftliche Theorie, auf die man sich beim handeln vielleicht beruft, noch nicht perfekt ist. Man kann aber auch fragen, ob die Art, wie man die Welt, sich selbst und die Anderen auffasst und versteht, überhaupt so selbstverständlich angemessen ist.
Dabei muss es nicht unbedingt um die letzten und tiefsten Fragen der menschlichen Existenz, etwa des moralischen Urteilens oder der Art des Wissens über die Welt gehen. Auch tagtägliche Ereignisse der Politik können philosophisch befragt werden.
Ich habe gestern wegen der Facebook-Diskussion zu diesem Text hier einmal nach Aussagen von Richard David Precht gesucht, und das erste, was ich fand, war ein Handelsblatt-Interview zur Jamaika-Sondierung. (Hinweis: beim ersten Aufruf konnte ich den Text komplett lesen. Gegebenenfalls bie Google nach „Precht Handelsblatt“ suchen, da erscheint dann das Interview und man kann es komplett lesen)
Die erste Frage lautete:
„Herr Precht, was verbinden Sie als Philosoph mit der deutschen Politik-Zukunft Jamaika?
Antwort: Zunächst einmal die konkrete Befürchtung, dass Cem Özdemir Außenminister wird. Wenn die Grünen dieses Amt kriegen, können sie anschließend nicht mehr genug in die Waagschale werfen, was ihnen eigentlich wichtig sein müsste. Ihre inhaltlich bedeutenden Positionen wären im Landwirtschafts- und Umweltministerium zu verorten. Aber zumindest das Landwirtschaftsministerium würde geopfert. Ich fürchte, die Grünen wiederholen den Fehler, den sie damals mit Joschka Fischer gemacht haben.“
Das Interview ging in diesem Stil weiter.
Precht wurde ausdrücklich „als Philosoph“ angesprochen. Was er antwortet, ist seine persönliche Meinung zu verschiedenen Politikern und Parteien.
Was hätte man – meiner Meinung nach – philosophisch antworten können (das ist natürlich nur ein Beispiel, es illustriert eher, was mich selbst philosophisch an der gestellten Frage interessiert)
„Die Frage ist, ob wir eine Konsens-Demokratie wollen oder eine Streit-Demokratie. Soll sich eine möglichst breite Mehrheit der politischen Parteien auf möglichst viele Kompromisse einigen, oder soll eine kleine Mehrheit für einen begrenzten Zeitraum und kritisch begleitet von einer starken Opposition ihre Konzepte klar durchsetzen? Dann wäre da die Frage, was denn überhaupt ein Kompromiss ist und ob es für alle politischen Themen Kompromisslösungen geben kann. Kann eine breite Jamaika-Koalition im alltäglichen politischen Handeln effektiv sein? Kann sie ihre Kompromisse so erklären, dass die Wähler damit zufrieden sind? Schließlich: Entspricht es dem Prinzip der Gewaltenteilung, wenn nicht das Parlament, sondern eine kleine Gruppe von Sondierern die Richtung der Politik in den nächsten Jahren festlegt?“
Diese Fragen könnte man dann am Beispiel der Jamaika-Sondierungen diskutieren. Man könnte den Lesern vielleicht Stellen aufzeigen, über die diese selbst noch nicht nachgedacht haben, über die Frage, wie sie sich eine gute Politik in der Gegenwart eigentlich wünschen.
Damit bekomme ich als Philosophierender und die Leser meines Textes ein bisschen mehr Verständnis davon, was Politik eigentlich ist, was wir erwarten und warum.
in diesem Zusammenhang lesenswert: mein Text zur Verständlfichkeit der Philosophie beim Hohe-Luft-Magazin.
2 Gedanken zu „Was kann oder soll Philosophie“
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