Stephen Hawking und die menschliche Intelligenz

An dem Tag, an dem diese Zeilen entstehen, ist der Astrophysiker Stephen Hawking gestorben. Hawking war der Ansicht, dass das menschliche Gehirn, welches er vermutlich als den Sitz des menschlichen Geistes ansah, nicht mehr ist als ein sehr komplexer Computer. Folgerichtig war er auch der Ansicht, dass man einen Gott für die Erklärung aller Dinge einschließlich des menschlichen Geistes, der in diesem Bild quasi nicht mehr ist als die laufende Software im Computer, nicht braucht.

Allerdings kann Hawking eben in diesem Bild die Frage nicht beantworten, wer der ist, der dieses Bild von einem laufenden Computer von sich selbst hat. Wer der ist, der von sich selbst sagt, dass er ein Computer ist, bleibt offen, denn das Computerprogramm wird, so komplex es auch sein mag, nicht „Ich bin ein Computer“ sagen können, wenn ihm diese Aussage nicht, auf welche komplexe Weise auch immer, schon in den Code hineinprogrammiert ist – und er wird schon gar nicht verstehen, begreifen und bewerten können, was er da sagt. Es wird ihn nicht traurig oder fröhlich machen, es wird nicht sein Selbstwertgefühl beeinträchtigen oder erhöhen. Er wird nicht darüber nachdenken, ob er ein Computer sein möchte, ob er sich überhaupt richtig verstanden fühlt, wenn jemand sagt, er sei doch – womöglich nur – ein Computer.

Von Hawking stammt auch der Satz, dass Intelligenz nichts anderes sei als die Fähigkeit, sich an Veränderungen anpassen zu können. Vermutlich ist dieser Satz auch für einen sehr formalen, biologistischen Intelligenzbegriff falsch, aber in jedem Fall ist er falsch für die menschliche Intelligenz. Bleiben wir bei der Reaktion auf einen Wandel, dann zeichnet sich die menschliche Intelligenz zunächst einmal dadurch aus, dass sie den Wandel bewertet, dass sie ihn einordnet, dass sie darüber nachdenkt, dass sie ihn begrüßt und sich darüber freut, oder dass sie ihn ablehnt, weil er sie ängstigt. Mehr noch, die menschliche Intelligenz kann ihre eigene Freude oder Ablehnung selbst zum Gegenstand des Nachdenkens machen, sie kann zu der Einsicht kommen, dass die Freude unberechtigt ist, oder dass die Angst durch das Nachdenken der Akzeptanz des Wandels folgen kann. Und auf der Grundlage dieser Beurteilung, die vieles ist, aber keine formale Nutzens-Schadens-Kalkulation, wird die menschliche Vernunft sich entschließen, auf den Wandel zu reagieren, wobei auch Ignoranz eine Reaktion sein kann. Die menschliche Intelligenz kann zum Wandel Stellung beziehen, sie kann sich entscheiden, ihn als Chance zu begreifen, die sie nutzen will, oder als Risiko, das sie eindämmen oder bekämpfen will.

Man kann den menschlichen Intelligenzbegriff radikal reduzieren auf irgendein algorithmisches Regelverfahren, das dann in ein physikalisch-mathematisches Erklärungsmodell eingepasst werden kann. Dann kann man sicherlich leicht sagen, dass es für diese Intelligenz keines Gottes bedarf. Aber der menschlichen Intelligenz, selbst der, die eben von sich sagt, dass sie keinen Gott benötigt, wird man damit nicht gerecht.