Sein und Seiendes

Kommentar-Fragmente aus einer Facebook-Diskussion:

Wenn ich z.B. sage: „Das dort ist ein Baum“ dann ist trivial, dass es etwas Seiendes gibt, worauf ich mich beziehe. Irgendwas befindet sich da drüben und wird von mir wahrgenommen. Das philosophisch Interessante ist, was passiert, wenn ich sage „ist ein Baum“. Da kommt das Sein ins Spiel. Und man kann sagen, dass der „Baum“ erst durch den Satz, den ich über das Irgendwas da drüben spreche, entsteht. Es gibt eine bestimmte Weise, die Realität zu strukturieren und zu ordnen, die in Sätzen zum Ausdruck kommt, in denen etwas „ist“. Und das interessiert Heidegger.

Man muss mit den Begriffen sehr vorsichtig sein und jeden einzelnen ganz sorgsam verwenden. „Welt“ würde ich schon mal gar nicht so selbstverständlich sagen, weil das ein ziemlich komplizierter und vieldeutiger Begriff ist, nicht nur bei Heidegger. Also sagen wir lieber mal „alles da draußen“, vielleicht auch „die Realität“ oder „die Wirklichkeit“.

Also: Das Seiende ist alles, was da draußen in der Realität angetroffen werden kann, was irgendwie begegnet. Das kann Physisches sein, womöglich auch abstraktes (Freiheit? Liebe?) – aber das lassen wir lieber erstmal raus.

Das interessante ist, dass wir sogleich in diesem Begegnen mit Seiendem draufzeigen und sagen: „Das ist ein Baum!“ „Das ist Matthias!“, „Das ist rot!“ usw. Und in diesem „ist“ steckt das Sein. In diesem Akt des Zeigens und Abgrenzens vom Rest.

Für uns heutigen besteht diese Realität da draußen aus Einzeldingen, die womöglich Namen haben (Matthias), zu bestimmten Klassen gehören (Baum) und Eigenschaften haben (rot). Die zeitliche Begrenztheit und örtliche Lokalisierbarkeit gehört auch dazu. Und das alles steckt in dem Sein dieser Dinge, macht ihr Sein aus.

Heidegger hat mehrere Anläufe unternommen, dieses Sein grundlegend zu verstehen. Eins scheint mir durchgängig bestimmend zu sein, ohne den der zeigt und „Das ist…“ sagt, gibt es auch kein Sein.

Das Sein produziert nicht das Seiende, so würde ich das nicht sagen. Das Seiende ist irgendwie schon „da“. Aber es wird durch die Art, wie wir es auffassen, für uns strukturiert, es wird zum Baum, zum roten Ding, zum Matthias….

Für mich ist nur plausibel, dass das Sein unsere Weise der Auffassung dessen ist, was uns begegnet. Das, was uns begegnet, gibt es natürlich auch ohne uns. Aber wie wir es auffassen, und wie wir uns aus diesen Begegnungen eine Vorstellung machen, mit der wir dann wieder auf das Begegnende losgehen, ist ganz unsere Sache und das ist auch nicht vorher festgelegt. Es gibt keine „richtige“ Auffassung von dem da draußen, bei der dieses Richtige irgendwie schon da draußen „da“ wäre und von uns nur gefunden werden könnte.

„Sein ist wahrgenommen werden (können).“ da ist ja wieder das „Sein“. Ich denke, wenn man Sein eben als Weise, die Realität aufzufassen, versteht, dann ist „wahrnehmen“ eben tatsächlich die Bedingung von Sein. Zumal ja das Wahrnehmen eben immer ein Wahrnehmen als „etwas“ ist. Wir können nicht einfach wahrnehmen, ohne wenigstens ganz allgmein sagen zu können „was“ wir wahrnehmen.