Edmund Husserl hat seine phänomenologische Methode in einem Zeitraum von fast vier Jahrzehnten entwickelt. Sein Werk enthält neben konkreten phänomenologischen Analysen immer wieder Überlegungen zur Methode selbst. Das hat zwei Gründe. Zum einen ging Husserl davon aus, dass seine Methode den meisten seiner Leser fremd war. Nur durch umfangreiche Erläuterungen schien es Husserl möglich, die eigentlichen Untersuchungen und Ergebnisse verständlich zu machen. Dies wurde ihm durch die Erfahrung bestätigt, dass die Werke und ihre Resultate durch die Leser und Kritiker immer wieder missverstanden und falsch interpretiert wurden. Deshalb schien es Husserl nötig, seine Methode immer wieder auf neue Weise ausführlich zu erläutern. Zum anderen entwickelte Husserl seine Methode im Laufe der Zeit weiter, weil er bemerkte, dass er bei konkreten Analysen an Grenzen stieß.
Edmund Husserl hat seine Konzeption einer „reinen Phänomenologie“[1] am Ende des 19. Jahrhunderts erstmals angelegt und in den Logischen Untersuchungen, die in erster Auflage im Jahr 1900 erschienen sind, dargestellt. Die aktuelle Ausgabe basiert auf der zweiten, teilweise umgearbeiteten Auflage der Schrift, die im Jahre 1913 herausgegeben wurde. Im Vorwort zum Ersten Band, den Prolegomena zur reinen Logik, schreibt Husserl, dass er die einleitenden Paragraphen des zweiten Bandes, in dem die phänomenologische Methode konzipiert ist, für die zweite Auflage „radikal umgearbeitet“[2] hat. Wir können somit davon ausgehen, dass das Konzept in den Logischen Untersuchungen mit dem der Ideen zu einer reinen Phänomenologie, die im Jahre 1913 erschienen sind, kompatibel ist.
Die reine Phänomenologie, die Husserl zu etablieren beabsichtigt, soll den verschiedenen Wissenschaften als Boden dienen, sie „stellt ein Gebiet neutraler Forschungen dar, in welchem verschiedene Wissenschaften ihre Wurzeln haben.“ (LU 2) Es ist also Husserls Absicht, den positiven Wissenschaften einen stabilen Grund zu geben, ihre Voraussetzungen aufzuklären. Diese Aufklärungsarbeit ist in zweierlei Hinsicht zu leisten: Einerseits muss gezeigt werden, wo solche Voraussetzungen existieren, ohne dass sie von den Wissenschaften selbst zum Thema gemacht werden. Andererseits gilt es, die Voraussetzungen so zu beschreiben, dass sie akzeptiert werden können, ja, dass sie als notwendig und richtig eingesehen werden können.
Bezogen auf die Psychologie wird die Leistungsfähigkeit der reinen Phänomenologie besonders deutlich: „In ihrem reinen und intuitiven Verfahren analysiert und beschreibt sie in wesensmäßiger Allgemeinheit – speziell als Phänomenologie des Denkens und Erkennens – die Vorstellungs-, Urteils-, Erkenntniserlebnisse, welche, empirisch aufgefasst als Klassen realer Vorkommnisse im Zusammenhange der animalischen Naturwirklichkeit, die Psychologie einer erfahrungswissenschaftlichen Erforschung unterwirft.“ (LU 3) Die Aufgabe der Phänomenologie, gleichzeitig die Leistung, die die Phänomenologie für die Psychologie erbringen kann, besteht also darin, die Begriffe, über die die Psychologie forschen kann, selbst zu klären. Will die Psychologie die menschlichen Vorstellungserlebnisse untersuchen und ihren Ablauf, ihre charakteristisch menschliche Ausprägung, aber auch die Abweichungen vom normalen, die krankhaften Formen und deren Entstehung, untersuchen, dann muss sie zunächst einmal einen klaren Begriff von einem Vorstellungserlebnis haben und wissen, was notwendig und wesentlich zu einem solchen Erlebnis dazu gehört. Diese Klärung soll nach Husserls Konzept von der reinen Phänomenologie geleistet werden.
Letztlich schafft eine so konzipierte reine Phänomenologie aber noch mehr. „Andererseits erschließt die Phänomenologie die ‚Quellen‘, aus denen die Grundbegriffe und die idealen Sätze der reinen Logik ‚entspringen‘“ (LU 3) Sie soll also letztlich ein Fundament jeder Erkenntnistheorie schaffen, und somit schließlich die Basis für jedes wissenschaftliche Arbeiten. Es geht Husserl nicht nur um eine begriffliche Grundlegung der Psychologie. Die reine Phänomenologie als Erkenntnislogik schafft ein Verständnis für die notwendigen Strukturen des Erkennens überhaupt, für seine wesentlichen Gesetze und Kategorien. Damit wird sie relevant nicht nur für das Erkennen im Alltag, sondern gerade für das regelgeleitete, strenge Erkennen in den Wissenschaften.
Wie soll die reine Phänomenologie das leisten? Husserl erläutert in der Einleitung zu den Logischen Untersuchungen die wichtigsten Verfahrensweisen und Grundsätze seines Vorgehens. Bevor wir uns diesen im Einzelnen zuwenden, wollen wir in den oben zitierten Sätzen die zentralen Begriffe identifizieren, deren Verwendungsweise und Zielsetzung zu klären sind. Husserl spricht davon dass sein Verfahren rein und intuitiv sei und dass es eine Beschreibung in wesenhafter Allgemeinheit anstrebt. Zu fragen ist somit, wovon das Verfahren rein gehalten werden muss und wie ein intuitiver Schluss geführt werden kann, der zu einer wesenhaften Allgemeinheit führt. Außerdem müssen wir verstehen, warum Husserls Verfahren zu einer Beschreibung und nicht etwa zu einer Erklärung führt. Vor allem aber muss geklärt werden, ob die Weise des intuitiven Schließens zu einer zwingenden und eindeutigen wesenhaften allgemeinen Beschreibung eines Sachverhalts führen kann, ob also Husserls Methode selbst Voraussetzungen hat, die sie nicht klären kann, die aber eine Klärung fordern.
Husserl setzt bei sprachlichen Aussagen an, und jeder Logik muss es um die systematische Beschreibung solcher Aussagen gehen. Die Objekte, um die es der reinen Logik geht, sind „zunächst im grammatischen Gewande gegeben“, sie sind eingebettet in konkrete psychische Erlebnisse, die „zu gewissen sprachlichen Ausdrücken gehören und mit ihnen eine phänomenologische Einheit bilden“ (LU 4) Husserl geht also von einer Einheit von Sprache und Denken aus. Bewusstseinserlebnisse des Denkens lassen sich in Aussagen fassen. Sie bilden das Forschungsfeld der Logik, die damit allerdings keine bloße Aussagenlogik im gegenwärtigen Sinne des Wortes ist. Gegenüber der Aussagenlogik geht die phänomenologische reine Logik einen entscheidenden Schritt weiter, genauer, sie geht noch einen entscheidenden Schritt hinter die reinen Gesetze der Aussagenlogik zurück.
Husserl schreibt „Zunächst aber ist uns das Logische in einer unvollkommenen Gestalt gegeben: der Begriff als mehr oder minder schwankende Wortbedeutung, das Gesetz, weil aus Begriffen sich bauend, als nicht minder schwankende Behauptung. Zwar fehlt es darum nicht an logischen Einsichten. Mit Evidenz erfassen wir das reine Gesetz und erkennen, daß es in den reinen Denkformen gründe.“ (LU 5) Bis zu diesem Punkt kommt die Aussagenlogik, wie wir sie am Berührungspunkt von Philosophie und Mathematik kennen. Aber das genügt, so Husserl, nicht. Denn es ist möglich, dass sich den verwendeten Begriffen durch Äquivokationen andere Bedeutungen unterschieben, und dass es zu einer Missdeutung der rein-logischen Sätze und zum Verlust der erfahrenen Evidenz kommt. „So erwächst die große Aufgabe, die logischen Ideen, die Begriffe und Gesetze, zu erkenntnistheoretischer Klarheit zu bringen. Und hier setzt die phänomenologische Analyse an.“ (ebd.)
Die Phänomenologie will also nicht nur die schwankenden Wortbedeutungen hinter sich lassen und logische Denkgesetze formulieren, sie will die wesentlichen Bedeutung der Begriffe beschreiben, sie will klären, in welchen wesentlichen Begriffen eine Logik überhaupt zu formulieren ist. „Durch Sonderung der vermengten Begriffe und durch passende Änderung der Terminologie gewinnen wir dann auch die erwünschte ‚Klarheit und Deutlichkeit‘ der logischen Sätze.“ (LU 6).
Das Ergebnis der phänomenologischen Analyse, wie Husserl sie hier skizziert, kann aber nur unter einer Voraussetzung als Boden jeder Erkenntnistheorie dienen, die Husserl als eine „Tatsache“ einführt: „daß allem Denken eine Denkform innewohnt, die unter idealen Gesetzen steht, und zwar unter Gesetzen, welche die Objektivität oder Idealität der Erkenntnis überhaupt umschreiben“ (LU 8). Denn nur unter der Voraussetzung, dass es im konkreten, zufälligen, unvollkommenen Denken tatsächlich ein wesentliches reines Denken am Werke ist, das ermittelt werden kann, dürfen wir überhaupt erwarten, dass die phänomenologische Beschreibung zu einem eindeutigen, klaren, zwingenden Ergebnis führt. Husserl ist diese Herausforderung durchaus bewusst, denn auf der gleichen Seite schreibt er wenige Zeilen weiter: „diese Tatsachen, sage ich, regen immer von neuem die Fragen auf: … wie die Idealität des Allgemeinen als Begriff oder Gesetz in den Fluss der realen psychischen Erlebnisse eingehen und zum Erkenntnis des Denkenden werden kann“. Es besteht also durchaus die Gefahr, dass die reine Phänomenologie zu einer Beschreibung kommt, die zwar ihre eigene zwingende Logik hat, aber deshalb noch längst nicht die realen Erkenntniserlebnisse in ihrem Wesen trifft.
Die Sicherung, dass die genannte Voraussetzung eine Tatsache ist, muss von dem Verfahren der Phänomenologie selbst geleistet werden. Sie muss sich in der Methode, im Vorgehen selbst ableiten und zur Evidenz kommen. Wie das gelingen kann, genauer, wie das nach Husserls Vorstellungen möglich werden kann, muss die weitere Lektüre der methodischen Überlegungen Husserls zeigen.
Es ist für Husserl selbstverständlich, dass es für seine Leser eine große Schwierigkeit darstellt, der phänomenologischen Analyse zu folgen. Diese Schwierigkeit besteht Husserl zufolge darin, dass eine Umkehrung der Ausrichtung des Denkens gegenüber der natürlichen, alltäglichen Denkrichtung nötig wird. „Die Quelle aller Schwierigkeiten liegt in der widernatürlichen Anschauungs- und Denkrichtung, die in der phänomenologischen Analyse gefordert wird. Anstatt … die in ihrem Sinn gemeinten Gegenstände sozusagen naiv als seiend zu setzen …, sollen wir vielmehr ‚reflektieren‘, d.h. diese Akte selbst und ihren immanenten Sinngehalt zu Gegenständen machen.“ (LU 9) Während wir in der natürlichen Einstellung etwa einen Baum erkennen oder eine Melodie hören, widmen wir uns in der phänomenologischen Einstellung der Frage, was es denn bedeutet und was dazu gehört, einen Gegenstand zu erkennen oder eine Tonfolge als Melodie zu hören.
Wir müssen der Einschätzung Husserls, dass es widernatürlich und eine fast unüberwindliche Schwierigkeit ist, die Akte des Denkens selbst zum Gegenstand einer Analyse zu machen. Vielleicht wäre es Husserls Sache dienlicher gewesen, wenn er an dieser Stelle weniger die Schwierigkeiten der Methode betont hätte als vielmehr den Anschluss an vorhergehende philosophische Reflexionen ähnlicher Art hergestellt hätte. Zu betonen ist jedenfalls, dass er Husserl gerade nicht um eine naturwissenschaftliche Analyse von Erkenntnisprozessen, etwa der Frage, welche psychischen Prozesse im menschlichen Denken oder welche physiologischen Prozesse im Gehirn stattfinden, wenn ein Gegenstand erkannt oder eine Melodie gehört wird. Ziel seiner Analyse war eine Beschreibung der Bedeutungen der Begriffe, die notwendig zu einem Gegenstand-Erkennen und einem Melodie-Hören dazugehören. Diese phänomenologische Analyse ist tatsächlich eine Klärungsarbeit, die der naturwissenschaftlichen Arbeit vorausgeht und ihr einen Boden bereiten kann. Fraglos ist auch das Fehlen solcher Grundlagen die Ursache für eine Reihe von Missverständnissen über die tatsächlichen Erkenntnisse und Konsequenzen der wissenschaftlichen Forschung, gerade auch der neurowissenschaftlichen Forschung der letzten Jahrzehnte. Genau genommen liegt es auf der Hand, dass eine Klärung, was mit Denken und Urteilen und Entscheiden überhaupt gemeint sei, der Behauptung, die Wissenschaft habe über das Denken, Urteilen und Entscheiden des Menschen wesentliche Erkenntnisse erzielt, vorausgehen muss. Daran zeigt sich schon, dass phänomenologische Grundlagenanalysen wie die von Husserl auch mehr als ein Jahrhundert nach ihrem Beginn von enormer Bedeutung sind. Gleichzeitig muss sich die Phänomenologie in der Tradition Husserls fragen, warum trotz intensiver Arbeit und vielen detaillierten Analysen in der Diskussion mit den Wissenschaften noch wenig erreicht ist. Unsere weiteren Überlegungen sollen zur Beantwortung dieser Frage einen Beitrag leisten.
Husserl sieht jedenfalls neben der Schwierigkeit, die Denkrichtung ins Reflexive umzukehren, ein weiteres Problem: das der „Darstellung und Übermittlung an andere“ (LU 10). Denn das Ergebnis der Analyse, die gewonnenen Evidenzen, muss mit ein paar wenigen, dafür aber vieldeutigen Begriffen sprachlich formuliert werden. Dabei müssen die Gegenstände der natürlichen Einstellung, quasi zur Illustration, mit verwendet werden: „Es ist schlechterdings nicht möglich, die meinenden Akte zu beschreiben, ohne im Ausdruck auf die gemeinten Sachen zu rekurrieren“ (LU 11). Was dabei jedoch oft übersehen wird, so Husserl, ist, dass sich der Sinn der Gegenständlichkeit der gemeinten Sachen modifiziert hat, sie ist Teil der phänomenologischen Sphäre geworden. Der erkannte Gegenstand und die gehörte Melodie sind nicht als äußere Gegenstände gemeint, sondern als Teile der phänomenologisch beschriebenen Akte des Erkennens oder Hörens.
Aufgrund dieser Schwierigkeiten nun erfordert die phänomenologische Methode eine Einübung. Erst wenn man durch ausführliche Übung die Fähigkeit zur Reflexion in der widernatürlichen phänomenologischen Haltung erworben hat, ist man in der Lage, Ergebnisse phänomenologischer Analysen zu prüfen und zu bestätigen. Dies stellt die Phänomenologie allerdings vor ein Problem: Wenn sie den Boden für die Forschungen der Wissenschaften bereiten und bilden soll, muss sie die Möglichkeit bieten, ihre Deskriptionen auch in nachvollziehbarer Form in den Grundlagendiskurs der Wissenschaften einzubringen. Wenn die Wurzeln der Wissenschaft in der Phänomenologie einen nahrhaften Boden finden sollen, dann muss die Nahrung auch so verfügbar sein, dass sie von den Wurzeln aufgenommen und von der Pflanze genutzt werden kann.
Die Lösung dieses Dilemmas besteht darin, dass im Nachvollzug der phänomenologischen Analysen und Deskriptionen gleichzeitig die Einübung der reflexiven Haltung stattfindet. Phänomenologie ist, so können wir an dieser Stelle festhalten, wesentlich vollziehende Philosophie. Der Nachvollzug einer phänomenologischen Analyse, der Prozess des Verstehens einer phänomenologischen Deskription, ist zugleich Einübung des phänomenologischen Denkens. Jedes Mal, wenn es dem Leser oder Hörer gelungen ist, im Wege des Nachvollzugs des Denkweges eines Phänomenologen „zu den Sachen selbst“ zu kommen, ist er ein Stück in der Einübung der Methode vorangekommen.
Wie wir oben (vgl. Seite 7) bereits festgestellt haben, ist für Husserl das Finden und Klären der Begriffe, die für die phänomenologische Deskription wesentlich sind, eine zentrale Aufgabe. Es geht darum, unter den vielfältigen vorhandenen Begriffen, die ähnliche, überlappende und schwankende Bedeutungen haben, diejenigen zu finden, mit denen die Analyse am besten gelingt. Die Bedeutung dieser Begriffe gilt es zu schärfen und so zu modifizieren, dass sie ihre Aufgabe innerhalb der Analyse exakt erfüllen können.
Dabei muss der Phänomenologe allerdings von der vorgefundenen Begriffs- und Bedeutungsvielfalt ausgehen, und ihre grammatischen Zusammenhänge ebenfalls in ihrer Vielfalt analysieren. Es gilt, unter den „grammatisch relevanten Bedeutungsunterschieden“ sowie unter den „ästhetischen Tendenzen der Rede“ diejenigen zu identifizieren, die für die Beschreibung des fraglichen Aktes wesentlich sind. (LU 13). Da „eine natürliche Neigung besteht, hinter jeder ausgeprägten grammatischen Unterscheidung eine logische zu suchen, so wird es eine logisch wichtige Angelegenheit, das Verhältnis von Ausdruck und Bedeutung zu analytischer Klarheit zu bringen“ (LU 14). Husserl unterscheidet zwischen der kommunikativen Nützlichkeit grammatischer Differenzen und den tatsächlichen fundamentalen logischen Unterschieden. Für letztere nimmt er in Anspruch, dass sie „im allgemeinen Wesen der Bedeutungen a priori gründen“ (ebd.). Allerdings sieht er auch die Gefahr eines „schädlichen Radikalismus … der die Sphäre der logischen Formen übermäßig beschränkt, eine breite Fülle logisch bedeutsamer Unterschiede als vermeintlich bloß grammatische verwirft und nur einige wenige übrig behält, die eben noch ausreichend sind, der traditionellen Syllogistik irgendeinen Inhalt zu belassen.“ (ebd)
Hier wird die Größe der Herausforderung deutlich, der sich Husserl mit seinem phänomenologischen Programm stellt. Aus der Fülle der sprachlichen Möglichkeiten, mit denen die Prozesse des Erkennens, des Verstehens und aller weiteren Bewusstseinsakte beschrieben, oder genauer umschrieben werden, will er die diejenigen heraussondern und zur Klarheit bringen, die tatsächlich für die Beschreibung dieser Prozesse notwendig sind, und dabei gleichzeitig die tatsächliche Vielfalt der Akte bewahren.
Phänomenologie ist Deskription, Beschreibung, aber es kann nicht genug betont werden, dass Husserl keine realen Prozesse beschreiben möchte, dass das Kriterium der Wahrheit keineswegs eine experimentelle Überprüfung sein kann. Zwar scheint es zunächst, als ob Husserl konkrete reale Vorkommnisse beschreibt, etwa das Hören einer Melodie. Aber er will nicht beschreiben, wie dieses Hören „funktioniert“, sondern was das überhaupt ist und was dazu wesenhaft gehören muss, wenn eine Melodie als Melodie gehört wird, wenn ein Gegenstand zur Anschauung gebracht wird. Die reine Deskription vollzieht „auf Grund exemplarischer Einzelanschauungen von Erlebnissen“ (etwa dem Hören einer Melodie) eine „Wesenserschauung und die deskriptive Fixierung der erschauten Wesen in reinen Begriffen“ (LU 18). Solche deskriptiven Fixierungen sind geeignet, den Wissenschaften bei der Suche nach ihren Erkenntnisobjekten eine Vorarbeit zu leisten – sie können von ihnen aber nicht empirisch widerlegt werden.
[1] Edmund Husserl: Logische Untersuchungen. Zweiter Band. Erster Teil. 7. Auflage. Max Niemeyer Verlag Tübingen 1993. Im Folgenden zitiert als LU. Hier Seite 2.
[2] Edmund Husserl: Logische Untersuchungen. Erster Band. 7. Auflage. Max Niemeyer Verlag Tübingen 1993. Seite XIII