Das Netzwerk der Einzelnen

Seit zweieinhalb Jahrtausenden benutzt die politische Philosophie die gleichen Begriffe: Bürger und Staat, Demokratie, Oligarchie, Monarchie. Liest man bei Aristoteles nach, merkt man schnell, dass diese Begriffe über die lange Zeit ihre Bedeutung nahezu ins Gegenteil verkehrt haben: Das, was heute Demokratie heißt, wäre bei Aristoteles ein auf Wahl basierendes Königtum auf Zeit.

Die Begriffe der politischen Theorie sind heute alle normativ aufgeladen, genauer gesagt, verdorben. Wer würde es in der Tradition des europäischen Abendlandes wagen, gegen die Demokratie zu argumentieren, oder auf der anderen Seite Aspekte des Königtums oder der Aristokratie als sinnvoll herauszustellen?

Gleichzeitig sehen wir die so genannten demokratischen Gesellschaften in einer inneren Legitimationskrise. Die politische Klasse, also jene, die im Namen des Volkes herrschen, besitzt weniger als je zuvor das Vertrauen derer, die ihnen angeblich die Macht verliehen haben. Gleichzeitig gelangen so genannte „starke Männer“ die offen gegen die Institutionen der Demokratie vorgehen, zu allgemeiner Anerkennung. „Das Netzwerk der Einzelnen“ weiterlesen

Braucht die vernetzte Vernunft noch den Menschen?

Im ersten Teil dieser kleinen Artikelserie war es um den Willen gegangen. Warum dieser für das Verstehen der vernetzten Vernunft, wie wir sie heute antreffen, wichtig ist, war im dritten Teil sichtbar geworden: Ohne Willen ist es überhaupt nicht sinnvoll, von Vernunft zu sprechen, Vernunft ist das Werkzeug, mit dem der Wille einen Weg zu seiner Erfüllung sucht, gerade dann, wenn dieser Weg nicht offensichtlich und trivial erkennbar ist. Im zweiten Teil der Serie ging es darum wie sich die Vernunft des Einzelnen aus dem Kopf in die Außenwelt vernetzt und diese in den Geist einbezieht. So entsteht die vernetzte Vernunft. In der modernen Welt verselbständigt sich diese Vernunft, angetrieben von der logisch-rationalen Weise des Vernünftigseins, das durch den Siegeszug der Naturwissenschaften und der Technologien zur Vorherrschaft gelangt. Netzwerke von Menschen, also Communities, Parteien, Organisationen und Unternehmen, werden selbst zu vernünftigen Gebilden, die ihren eigenen Willen ausprägen und einer eigene Vernunft entwickeln und Wege zum Erreichen ihrer Ziele finden. „Braucht die vernetzte Vernunft noch den Menschen?“ weiterlesen

Die Vernunft der Community

Die menschliche Vernunft ist nicht nur im Kopf, der Geist erweitert sich mit Denkhilfen, die der Mensch sich außerhalb seines Gehirns schafft. Im zweiten Teil dieser Serie ging es um diese Erweiterungen, von Notizen fürs Gedächtnis bis hin zu Services, die uns Entscheidungen und vielleicht sogar das Denken abnehmen. Dabei stand aber der einzelne Geist, also der einzelne Mensch mit seinen persönlichen Gedanken, Wünschen und Zielen, immer im Zentrum. Von ihm aus erweiterte sich der jeweils eigene Geist in die Welt. Wie ein Spinnennetz bindet er seinen Geist an die Welt an. Im Zentrum des Netzes sitzt der Einzelne mit seinem Geist, seinem Denken und Entscheiden. Aber zumeist trifft das Netz, das der einzelne baut, nicht auf bloße Natur, er trifft dort sozusagen auf den erweiterten Geist der anderen, auf ihre Denk- und Entscheidungshilfen, die dann jeder einzelne wiederum in seiner eigenen erweiterten Geist einbeziehen kann. So entsteht die vernetzte Vernunft: Ich erweitere meinen eigenen Geist mit Notizen, Merkzetteln, Erinnerungsstützen, und ich finde die Erinnerungsstützen der anderen in der Welt vor. Statt der eigenen Geisteswerkzeuge nutze ich die der anderen, und bald gibt es Werkzeuge, die nur dafür gemacht sind, von anderen genutzt zu werden: Telefonbücher, Lexika, Wikipedia, Suchmaschinen. Mein Geist schafft sich nicht mehr selbst seine Hilfsmittel, er passt sich den vorgefundenen Hilfsmitteln an, die andere hergestellt haben. „Die Vernunft der Community“ weiterlesen

Ist das Netz ein erweiterter Geist?

Im ersten Teil dieser Serie ging es um den freien Willen und um die Frage, ob ein Netzwerk besser wissen kann als jeder einzelne Mensch, was der Wille dieses Einzelnen ist, was er sein kann oder sein sollte. Der Wille des Einzelnen ist immer schon vernetzt mit den Anderen, denn ich finde meine Ziele, indem ich andere beobachte und dabei herausfinde, was für mich selbst ein großes Ziel wäre, das ich erreichen will. Zudem ist das große Ziel eben immer in der Gemeinschaft groß, meine Willenskraft verschafft mir Anerkennung und bindet mich in eine Gemeinschaft ein.

Andererseits droht aus dieser Vernetzung des Willens auch Gefahr: durch das Netzwerk akzeptiere ich, was vernünftig ist, also auch, was ich mir vernünftigerweise zum Ziel setzen kann. Wenn ich etwas will, was ich nach Meinung der vernetzten Gemeinschaft gar nicht erreichen kann, dann werde ich mit diesem Willen auch nicht akzeptiert. Manche sagen, dass ich das gar nicht wirklich will, andere verurteilen mich vielleicht als leichtsinnig oder rücksichtslos. Das Netzwerk schreibt mir meinen Willen vor. „Ist das Netz ein erweiterter Geist?“ weiterlesen