Stephen Hawking und die menschliche Intelligenz

An dem Tag, an dem diese Zeilen entstehen, ist der Astrophysiker Stephen Hawking gestorben. Hawking war der Ansicht, dass das menschliche Gehirn, welches er vermutlich als den Sitz des menschlichen Geistes ansah, nicht mehr ist als ein sehr komplexer Computer. Folgerichtig war er auch der Ansicht, dass man einen Gott für die Erklärung aller Dinge einschließlich des menschlichen Geistes, der in diesem Bild quasi nicht mehr ist als die laufende Software im Computer, nicht braucht.

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Wissenschaftlichkeit: Sedimentierung des Erkenntniskonsens

Wir hatten das Wissenschaftliche als Herstellung und Manipulation von Modellen als symbolischen Repräsentationen von Konstellationen beschrieben, wobei diese Modelle jeweils in einen stabilen Kotext eingebunden sind, oder, wie wir auch sagen können, die Modellmanipulationen erhalten ihre eigene Stabilität und Reproduzierbarkeit durch ihre Verankerung auf einem festen Fundament. Wir hatten gesehen, dass wir wenigstens zwei Ausprägungen dieses Wissenschaftlichen kennen: die Theoriendynamik und die Experimentalsysteme. Als wissenschaftlich erscheint uns ein Vorkommnis, das sich plausibel als Ergebnis eines solchen Prozesses der Modellmanipulationen beschreiben lässt. Die stabilisierten und reproduzierbaren Modellmanipulationen können wir als wissenschaftliche Erkenntnis betrachten. Wir hatten gesehen, dass Theoriendynamik und Experimentalsysteme gewissermaßen komplementäre Ausprägungen des Wissenschaftlichen sind: wissenschaftliche Erkenntnisse lassen sich Ergebnisse einer Theoriendynamik schildern, bei denen Experimente allenfalls als Prüfinstanz fungieren, oder als differenzielle Reproduktion eines Experimentalsystems, für das Theorie, wenn überhaupt, nur als Dokumentationshilfe benötigt wird. „Wissenschaftlichkeit: Sedimentierung des Erkenntniskonsens“ weiterlesen

Das Wissenschaftliche als soziale Praxis

Die Feststellung, dass das wissenschaftliche Handeln in einen sozialen Zusammenhang eingebettet ist und von sozialen Konstellationen abhängt, kann entweder als selbstverständlicher Allgemeinplatz angesehen oder als für das Verständnis des Wissenschaftlichen  unwesentlich beiseite getan werden. Da die Einbettung in das Soziale letztlich für alle menschliche Tätigkeiten eine Tatsache ist, die wissenschaftliche Praxis hier also selbstverständlich keine Ausnahme ist, kann man argumentieren, dass es für das Verständnis des Wissenschaftlichen gerade nicht hilfreich ist, ihre sozialen Abhängigkeiten und Bedingtheiten, die sie ja gerade mit allen anderen Praxen gemeinsam hat, in den Fokus zu nehmen. „Das Wissenschaftliche als soziale Praxis“ weiterlesen

Das Wissenschaftliche in der Komplementarität von Experimentellem und Theoretischem

Um die Verbindung zwischen Experimentieren und Theoriebildung zu verstehen, ist es allerdings sinnvoll, den Weg der symbolischen Repräsentation der Phänomene und die Verbindung dieser Repräsentation mit Rheinbergers Modellkonzept weiter zu verfolgen. Auf den ersten Blick hat dieser Modellbegriff nichts mit dem der Wissenschaftstheorie zu tun, wie er etwa von van Fraassen (siehe oben, Seite 24) verwendet wird. Für van Fraassen sind Modelle Theoriebestandteile, Theorien sind „Familien von Modellen“, während Rheinberger Modelle als Experimentieranordnungen, als Experimentalsysteme auffasst. Wenn man jedoch versucht, beides zusammen zu denken, dann kann man einen ersten Hinweis für einen Begriff vom Wissenschaftlichen gewinnen, der jenseits der Entscheidung über das Primat der Theorie oder des Experiments angesiedelt ist. Zuvor soll jedoch ein Blick auf die Rolle der Theorie in Rheinbergers Wissenschaftskonzept geworfen werden. „Das Wissenschaftliche in der Komplementarität von Experimentellem und Theoretischem“ weiterlesen

Das wissenschaftliche Experimentieren

In seinem Buch Experimentalsysteme und epistemische Dinge zitiert Hans-Jörg Rheinberger den amerikanischen Nobelpreisträger Alfred Hershey, der auf die Frage nach dem höchsten Glück des Wissenschaftlers geantwortet haben soll: „Ein Experiment zu haben, das funktioniert, und es immer wieder tun.“ (Rheinberger 2006, 20) Dieses Bild vom wissenschaftlichen Arbeiten könnte kaum weiter von dem entfernt sein, das Popper geschildert hat, als er das wissenschaftliche Arbeiten als das Aufstellen von Theorien beschrieben hat. Für Popper und viele Wissenschaftstheoretiker ist die Arbeit an logisch strukturierten Satzsystemen das Besondere am Wissenschaftlichen, die Tätigkeit, die den Wissenschaftler auszeichnet. Experimente dienen nur der Überprüfung dieser Theorien, der Beantwortung von Fragen, die von der theoretischen Arbeit aufgeworfen wurden. Ein Wissenschaftler wie Hershey, so wie ihn Rheinberger hier zitiert, wäre hingegen offenbar auch ganz ohne theoretische Leitung denkbar. „Das wissenschaftliche Experimentieren“ weiterlesen

Wissenschaft als Theoriendynamik

Die philosophische Reflexion über das Wesen der modernen Wissenschaft hält sich in einem Spannungsbogen zwischen der Wissenschaftstheorie auf der einen Seite und Wissenschaftssoziologie und Wissenschaftsgeschichte auf der anderen. Das Spektrum der Standpunkte ist groß und die Ansätze, ein Verständnis dessen zu entwickeln, was in allem Tun und allen Ergebnissen von Wissenschaftlern in den wissenschaftlichen Institutionen und im wissenschaftlichen Betrieb sich als grundlegendes Wissenschaftliches durchzieht, gehen in diesem Spektrum fließend ineinander über. Deshalb kann hier kein erschöpfendes Bild des gegenwärtigen Standes der Debatte gegeben werden. Exemplarisch werde ich in den nächsten Abschnitten einige Autoren zitieren, vor allem um deutlich zu machen, wie die Vielfalt der philosophischen Versuche selbst zustande kommt und was ihre Voraussetzungen und Grenzen zur Bestimmung des Wissenschaftlichen sind. Es geht mir dabei nicht darum, die verschiedenen Möglichkeiten, das Wissenschaftliche philosophisch zu fassen, zu beschreiben und etwa ihren deskriptiven oder normativen Umfang zu beurteilen, vielmehr ist es mein Ziel, aus den vorhandenen Ansätzen abzuleiten, anhand welcher Art von Kriterien etwas wie das Wissenschaftliche überhaupt umgrenzt werden kann, als was für ein Begriff sich das Wissenschaftliche damit herausstellt und was schließlich mit ihm bezeichnet werden kann.   „Wissenschaft als Theoriendynamik“ weiterlesen

Das Technische

Schon im alltäglichen Sprechen machen wir die Erfahrung, die sich in der philosophischen Diskussion der letzten zweieinhalb Jahrtausende bestätigt: Technik ist ein zweideutiger Begriff. Er wird einerseits als Sammelbegriff für Gegenstände verwendet: die Technik, das sind Dinge, die wir benutzen können, um Ziele zu erreichen, die wir ohne technische Hilfe nicht oder nur mit großem Aufwand erreichen würden. Solche Technik macht das Leben leichter. Andererseits sagen wir auch Technik, wenn wir von einem bestimmten Handeln reden, wir sagen etwa, dass ein Fußballer oder ein Musiker eine gute Technik hat – damit meinen wir dann nicht den Ball, die Schuhe oder das Musikinstrument, sondern die Fähigkeiten des Menschen, die er eingeübt hat, um ein gewünschtes Ergebnis zu erreichen. Technik ist also zum einen eine Bezeichnung für Gegenstände, die wir benutzen, zum anderen für ein menschliches Tun. Müller (2014, 21) schreibt dazu: „Die Schwierigkeiten des Technikbegriffs liegen darin, dass er sowohl konkrete Maschinen und Technologien umfasst als auch eine bestimmte Kompetenz, eine Verfahrensrationalität“. Eine Seite später führt er Beispiele auf, die das ganze Spektrum verdeutlichen: „Hochtechnologie oder Bürokratie, aber auch Selbst- und künstlerische Techniken, wie etwa die Meditation und das Geigenspiel“ (22). „Das Technische“ weiterlesen